7. Türchen
Shownotes
Das 7. Best-of-Türchen öffnet sich mit einem Beitrag von Kai Runge, der auch wunderbar ins Gedichte-Jahr 2022 gepasst hätte, aber bereits aus unserem ersten Adventskalender-Jahr 2020 stammt.
Hier gibt's weitere Informationen: z.B. https://www.instagram.com/sturmflutpoet/ und https://www.xing.com/profile/Kai_Runge4
Wir fragten in den Jahren … - … 2020: Was wünschst Du der Inklusion zu Weihnachten? … 2021: Was ist Dein Lieblingszitat zu Inklusion? … 2022: Was ist Dein Gedicht zu Inklusion? … 2023: Was ist Dein Bild von Inklusion?
Der Adventskalender samt Transkripten in schwerer und einfacher Sprache findet sich auch auf unserer Homepage unter https://www.alle-inklusive.de/inklusionsbuero/adventskalender-2024/
Weiteres zum und vom Inklusionsbüro finden Sie hier:
https://www.alle-inklusive.de/
https://www.instagram.com/inklusionsbuero_sh/
Urheber-/Quellennachweise: Sound Türquietschen: www.salamisound.de Bild: iStock Intro-/Outro-Musik: Alle Jahre wieder (Lizenzgeber: musicfox UG https://www.musicfox.com)
Transkript anzeigen
Du siehst mich an und dann und wann,
von Zeit zu Zeit bin ich es leid diese Blicke zu ertragen.
Komm doch einfach zu mir her und fang an mich zu fragen:
„Und was machst du so?“
Hör auf mich in Schubladen zu deponieren
und mir mit deinem Mitleid zu imponieren.
Du musst dich nicht dafür genieren, dass du nicht weißt,
wie es mit mir umzugehen heißt.
Lass dich von deinen Gefühlen inspirieren.
Und manchmal muss man die Dinge einfach ausprobieren,
anstatt in den Gedanken
gefühlte Ewigkeiten darüber zu sinnieren.
Vielleicht war es in meinem Leben nicht immer leicht.
Aber ich habe stets meine Sichtweise neu geeicht
und neue Wege gefunden.
Ich komm eigentlich ganz gut über die Runden.
Und solltest du nun Interesse an meiner Geschichte bekunden,
so will ich dir davon erzählen.
Sag, darf ich dir ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit stehlen?
Ja? Dann lausche, wenn ich berichte, denn dies hier ist meine Geschichte:
Ja, ich habe einen anerkannten Grad der Behinderung
und komme manchmal nicht darum herum
in gewissen Lebenslagen
Hilfe zu erfragen.
Vielleicht kann ich nicht einfach Selter-Kisten durch die Gegend tragen
und jedes x-beliebige Auto fahren.
Aber dennoch kann ich mich ganz allein durchs Leben wagen
und werde hier nicht über das, was ich nicht kann, klagen.
Denn ich habe ein Leben, das mir gefällt
und dies ist es allemal wert, dass man ein paar Minuten darüber erzählt.
Und wenn ich anfange es zu beschreiben,
wirst du merken, dass wir uns gar nicht so sehr unterscheiden.
„Und was machst du so?“
Früh morgens klingelt auch bei mir der Wecker.
Ich eile durchs Bad und hole mir auf dem Weg, ganz lecker,
beim Bäcker noch eine Mahlzeit und bin kurz danach bereit,
mit dem Bus Kurs Arbeit zu fahren – ich hab’s ja nicht weit.
Ja, stell dir vor, ich habe einen Job und den finde ich top.
Denn er ist für mich unglaublich viel mehr als Arbeit.
Und vielleicht ist es für dich schwer das zu verstehen,
darin etwas zu sehen, das mehr ist als das Verdienen von Geld.
Denn in meiner Arbeit steckt Mühe und Liebe,
nicht getrieben durch die finanziellen Triebe,
sondern wertschätzende Anerkennung für mein Tun und Handeln.
Und sollte ich dabei auch nur in den sprichwörtlichen Schubladen wandeln,
in die du mich steckst, so fülle ich sie mit meinen Taten und meiner Kraft,
die aus jedem Werkstück etwas ganz Besonderes erschafft.
Denn entgegen jedem Hohn
betreibe ich keine Fließbandproduktion,
sondern arbeite mit Kopf und Hand
in einem oft viel zu sehr profitmaximiert orientierten Land.
Ich arbeite mit Liebe zum Detail,
weil niemand mit Stechuhr und Peitsche hinter mir verweilt.
Denn in jedem Produkt ist auch so etwas wie Seele mit einverleibt.
Frei von erzwungenem Stress und all dem Getue
Bedeutet meine Arbeit für mich auch so etwas wie innerliche Ruhe,
Ausgeglichenheit, Anerkennung.
Und wenn dich so etwas wie Urlaub sehnsüchtig erfreut,
bin ich oftmals jemand, der es bereut
ein paar Tage nicht zur Arbeit zu gehen,
denn dann kann ich all meine lieben Kollegen nicht sehen,
die für mich weit mehr als Wegbegleiter darstellen.
Denn ich würde ihnen weit mehr als Belanglosigkeiten erzählen.
Für mich sind diese Menschen Freunde.
Wie auf einer sonnendurchfluteten Lichtung die Schatten spendenden Bäume,
die mich anerkennen, mir helfen und mich nehmen, wie ich bin.
Mich als anders zu bezeichnen, käme ihnen niemals in den Sinn.
Mit ihnen würde ich Pferde stehlen. Ok, vielleicht eher kaufen,
denn wir sind schon ein verschworener und verrückter Haufen.
Denn wir lachen und weinen, wir hoffen und leiden
stets gemeinsam – nicht einsam.
Müssen uns nicht voreinander verstecken
und nicht in definierte Schubladen stecken.
Hier bin ich, wie ein Freund mich kennt:
ein ganz normaler Mensch.
„Und was machst du so, sag?
Und wie ist das bei dir so, sag?
Wie ist das bei dir?“
Denn am Ende bist du doch heute hier um genau das zu erfahren.
Lass uns doch einfach mal
offen und ehrlich reden über das Leben,
über Gleichheiten und Unterschiede
und über das, was unter dem Strich dann noch bliebe.
Wenn du mich einfach nur offen und ehrlich empfängst,
mir sagst, was du denkst, Vorurteile an den Haken hängst,
Gedanken in neue Bahnen lenkst
und nicht aus Scham von der Frage abschwenkst.
Sieh mich bitte nicht als Mensch mit Handicap,
sondern vielmehr als eine Person,
in der die ein oder andere Überraschung steckt.
Denn dann lässt du mir über mein Leben die Wahl
und ich, ich fühl mich am Ende
doch einfach vollkommen normal.
Ich bin vielleicht nicht etwas,
das du gleich verstehst oder kennst.
Aber ganz tief in uns sind wir doch alle
einfach Mensch.
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